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Brücken und Berge

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In der letzten Woche hatte ich es bereits angekündigt, mein neustes Projekt unter dem Titel: Vier Jahrzehnte-Städte? Stationen! Portraits. Ich möchte auch den heutigen Bericht dazu nutzen etwas über dieses Projekt und vor allem auch die Emotionen dahinter mitzuteilen, denn es ist ein Projekt, welches auch sehr viel von mir hat und auch wieder, wie das letzte große Projekt: Das postdemokratische Konjunkturpaket III, einiges an Systemkritik in sich hat. Aber es geht auch um Bindung, um Wurzeln, Heimat und Familie. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass ich mich in diesem zweiten Bericht zum Thema zu einem großen Teil dem Bergischen Land widme, wo meine Familie herkommt und zum Teil auch noch immer oder auch schon wieder lebt und ich mich im Moment, wenn ich nicht in Köln oder meiner Heimatstadt Leverkusen bin, auch sehr viel aufhalte. Das Bergische Land hat unendlich viele Facetten, die man wahrscheinlich jahrelang allein schon dokumentieren könnte, wie ich aber bereits andeutete, geht es bei meiner Arbeit nur um die Städte und Gemeinden Solingen, Remscheid, Wuppertal und Odenthal. Den Anfang mache ich nun mit Solingen und Remscheid, zwei Städte zu denen ich auf der einen oder anderen Weise einen Bezug habe und mit diesen Orten eben auch viele Emotionen verbinde.

Über die Klinge gesprungen
Erst einmal sei aber all denen, die mit der Region des Bergischen Landes nichts anfangen können, erklärt, dass es hier zwar 01_sg_1_3384.jpgdoch auch oft Höhenmeter zu überwinden gilt und es hier schon schneit, wenn es in Köln und Leverkusen noch regnet aber trotzdem geht es hierbei nicht wirklich um Berge, sondern um die Grafen von Berg, nach denen diese Region benannt wurde. Nach dieser kurzen geschichtlichen Erläuterung, komme ich zu meiner Geschichte. Meine Großeltern stammen aus Solingen, wie letztendlich auch meine Eltern, in sofern habe ich doch einen gewissen Teil meiner Kindheit und Jugend in der Klingenstadt verbracht. Solingen ist weltberühmt für Messer, Scheren und was sonst noch mit Klingen zu tun hat und bis zum heutigen Tage findet man auf vielen Klingen den Aufdruck `Made in Solingen`. 02_bgl_3497.jpgDer industrielle Wandel ist aber natürlich auch hier nicht ohne weiteres vorbeigezogen und wenn ich nun nach Jahrzehnten, die ich nicht mehr in dieser Stadt war, durch die Strassen ziehe und nach Motiven für meine Arbeit suche, wirkt vieles wie eingefroren, man kann den Stilstand zum Teil wirklich spüren und dies löst ein beklemmendes Gefühl aus. Wobei es auf der anderen Seite auch einiges vereinfacht, weil alles noch so ist, wie es einst war. Bei meinen ersten Touren wurde mir aber auch gleich klar, was diese Stadt in meinen Augen ausmacht und was ich in meinen Werken verarbeiten möchte.

Neben den Klingen ist Solingen natürlich für ein absolut beeindruckendes Bauwerk bekannt und zwar die Müngstener Brücke. 03_sg_2_3399.jpgSie ist mit 107 Metern auch heute noch die höchste Stahlgitterbrücke Deutschlands und hat eine erstaunliche Länge von 465 Meter. Dieses über 110 Jahre alte Meisterwerk der Baukunst, beeindruckt mich seit meinen Kindertagen. Eine große Tochter der Stadt, Pina Bausch, wird in diesen Tagen auch geehrt, denn gerade läuft der Film `Pina` von Wim Wenders an und auch hier taucht dieses Bauwerk auf und dies war auch eines der Bilder, die mich ganz klar zu diesem Projekt inspiriert haben. Stahl ist etwas, was einem hier genau wie Brücken und Fachwerkhäuser immer wieder begegnet. Die Arbeit, der Schweiß und eine gewisse Schwermut ist spürbar aber auch die Kraft und die Verbindung die all dies beinhaltet. Natürlich reden wir hier von einer Industrieregion aber auch von der absoluten ländlichen Idylle. 04_sg_3_3392.jpgDieser Zwiespalt, der gerade auch durch die Veränderungen unserer Zeit noch deutlicher wird, zieht mich immer wieder in seinen Bann und im nächsten Moment erschreckt er mich auch wieder in aller Tiefe. Nun bin ich nach Jahren wieder hier und fühle mich vertraut, verwurzelt und bin doch so irritiert. Ich kann diese Brücke in meine Vergangenheit auch genießen und gehe über sie in eine wunderbare Zeit, die es schon längst nicht mehr gibt. Dies ist auch ein ganz wichtiger Teil dieser Arbeit, etwas zu bewahren, zu beschützen. Diese genannten Gegensätze eben, die vieles so abstrakt wirken lassen und wer mich kennt, weiß das ich eine Liebe zur Abstraktion in mir trage.

Die Nachbarstadt
Direkt an Solingen grenzt Remscheid, eine Stadt die ebenfalls wie Solingen einen klaren Bezug zum Stahl hat, auch wenn sie eher für die Autoindustrie und den Werkzeugbau von Bedeutung ist. 05_rs_1_3264.jpgMit Remscheid hatte ich in der Vergangenheit wesentlich weniger zu tun, als mit Solingen, wobei ich auch in dieser Stadt einige Zeit gearbeitet habe. Vor allem ist mir aber die schreckliche Katastrophe vom 08. Dezember 1988 im Kopf geblieben, als hier ein amerikanischer Jagdbomber vom Typ A-10 Thunderbolt II bei Nebel in eine Wohnsiedlung stürzte. Damals starben hier im Stadtteil Hasten sieben Menschen und 50 wurden zum Teil schwer verletzt. Ich war nie dort, was sich im Laufe meiner Arbeit aber natürlich geändert hat, da ich wissen musste, wie es an einem solchen Ort, so viele Jahre später, aussieht, wie es sich heute anfühlt, denn auch dies gehört zur Geschichte dieser Stadt. Vor fast drei Jahren besuchte ich auch schon einmal das schottische Lockerbie und auch dies war eine sehr emotionale Erfahrung, denn hier kam es gut zwei Wochen nach der Katastrophe von Remscheid zu einer noch größeren Tragödie. 06_rs_2_3279.jpgMan darf nun aber nicht meinen, diese Stadt mit ihren etwa 120.000 Einwohnern sei in meinen Augen negativ belastet, denn eigentlich ist eher das genaue Gegenteil der Fall. Denn dadurch, dass ich zu dieser Stadt keinen größeren emotionalen Bezug aus meiner Vergangenheit habe und doch einiges gerade im Kontext Industrie trifft ländliche Idylle sehr vergleichbar finde, kann ich mit diesem Thema in dieser Stadt noch einmal ganz anders umgehen, als in Solingen. Das was mir hier an Hintergründen über die Stadt fehlt, stellt übrigens auch kein Problem dar, denn hier greift wieder ein bisschen das Schicksal ein.

Denn durch meine beratende Tätigkeit im Bereich der Kunst und Kultur, der ich auch noch weiterhin nachgehe, habe ich wundervolle Menschen kennen lernen dürfen für die Remscheid, die drittgrößte Stadt im Bergischen Land nach Wuppertal und Solingen, ihre Heimat ist und die mir bei diesem Teil des Projektes mit Rat und Tat zur Seite stehen können, was mir natürlich auch wieder ganz neue Perspektiven eröffnet. 07_rs_3_3327.jpgSomit stand nach zwei relevanten Besuchen in Solingen, am Wochenende Remscheid, die Seestadt auf dem Berge, wie man sie auch nennt, auf dem Programm, denn es gilt für wohl alle Städte, dass ich eine ganze Zeit damit verbringen werde oder auch schon damit verbracht habe, mich dort einzufühlen, es aufzusaugen, bevor ich die Werke entsehen lassen kann, die mir vorschweben und das zeigen kann, was ich in meinem Inneren empfinde und sehe, wenn ich mich dort bewege. Es wird sehr spannend zu sehen, was die Konfrontation zwischen Industrie, ländlicher Idylle und dem so oft schwer über der Stadt hängende Nebel mit mir und den Arbeiten machen wird. 08_rs4_3490.jpgEs gibt aber noch ein weiteres Detail, welches diese Stadt und meine Reise durch Europa ganz fest miteinander verbindet, die Autobahnraststätte. Diese war unendliche Male Ausgangspunkt meiner Reisen und ich dachte oft im Scherz darüber nach mir hier einen Briefkasten zu installieren, weil ich so oft dort war. Im Umkehrschluss hat aber genau dieser Ort auch immer etwas  mit in die Heimat kommen zu tun. Vielleicht ist es auch das, was am Ende dieser Werkreihe herauskommen wird, eine, meine Definition von Heimat, schließlich befand ich mich all die letzten Jahre auf einer Reise über den ganzen Kontinent und bin doch wieder hier. Wenn ich mir nun nach diesen Zeilen überlege, dass dies nur ein kleiner Teil dieses Projektes ist, freue ich mich jetzt schon auf alles, was da noch kommen wird.


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